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The Darvish steht vor einer roten Wand in einem weißen Kostüm. Credit @bmusil

The Darvish

The Darvish dürfte so ziemlich der einzige queere syrische Bauchtänzer in Berlin sein. Queer: Das war er gefühlt schon in seiner Heimat Syrien. Doch es brauchte Berlin, um zu spüren, dass da mehr ist, jenseits des Mann- oder Frau-Seins. Syrisch: Mit 20 beschloss er sich von seiner Familie zu verabschieden. 2016 kam er nach Berlin. Zunächst um Deutsch zu lernen und Mode zu studieren. Bauchtänzer: Wurde er, mehr durch Zufall nach einem Jahr, als er in Clubs und auf queeren Partys für sich und mit Freunden tanzte. Seine Freundin Judy LaDivina ermutigte ihn, sein Talent öffentlich zu machen.


Seither tritt The Darvish als Solotänzer, Performer und Ensemble-Mitglied in Produktionen auf. Die Premiere von „Neue Lieder von der Erde“ in der Neuköllner Oper mit The Darvish in der Rolle des Phönix aus einer fremden Welt steht im Oktober bevor. Der Raqs Sharqi ist The Darvishs künstlerisches Zuhause und das Medium, in dem er sich und seine Persönlichkeit ausdrückt. „Sieh zu, die Person zu sein, die du bist – und damit jede Menge Spaß zu haben“, sagt er. Seine Bauchtanz-Performances, Kostüme und sein Make Up sind nicht allein Unterhaltung. Sie machen ebenso die Anliegen der LGBTQI+-Community mit künstlerischen Mitteln sichtbar. „Wir alle sind als Menschen komplexe Wesen. Wir sollten akzeptieren, dass jeder mehr als die eine Seite in sich trägt, die als normal gilt.“


Die Kostüme für Männer oder für Frauen in ihrer Eindimenisonalität waren nicht das Richtige für The Darvish. „Ich fühlte mich nicht wohl und musste herausfinden, was zu mir, meinem Körper und meiner Arbeit passt.“ Das kann der klassische Tellerrock der Derwische sein, der bei Drehungen weit ausschwingt. Oder ein mit langen Perlenreihen besetzter Jumpsuit oder ein zweiteiliges Bauchtanzkostüm mit Brustschmuck und Pumphose. Die Kleiderstange bietet genug Auswahl und was nicht passt, wird entworfen, genäht oder verändert. Dazu trägt The Darvish Make Up, zeigt seine Tattoos. Vielleicht kommen Schläppchen dazu, vielleicht aber auch Glitzer-High-Heels oder silberne Overknees. Fast immer gehören lange Ohrringe und ein Fez zum Tanz-Outfit.


Die Kunst gibt The Darvish die Freiheit, die Schönheit und Vielfalt der Kulturen der MENARegion zu zeigen. Koloniale Begriffe wie „Orient“ benutzt er nicht; er spricht von „Middle East and Nothern Africa“. Bei aller Ernsthaftigkeit der Anliegen ist seine große Freude am Tanz unübersehbar. „Ich möchte diese Kunstform voranbringen, so wie ich sie interpretiere“, sagt er über den Raqs Sharqi. Die Videos auf seinem Insta-Kanal @therdarvishofficial sprechen eine deutliche Sprache. Bei seinen Live-Performances gehen die Zuschauenden mit – so wie beim Abschluss des Berliner CSD 2022 auf der ganz großen Bühne vor dem Brandenburger Tor. The Darvish tritt aber auch regelmäßig in der Tipsy Bear Bar oder im SO 36 auf und ist Mitveranstalter der Soli-Partys von „Queens against Borders“ für Trans/Queer Refugees in Berlin.


Fünf Jahre in Tanz und Aktivismus für mehr Sichtbarkeit gaben The Darvish das Selbstvertrauen, zu sich zu stehen und die eigenen Gefühle nicht ständig verstecken zu müssen, so wie es in der Heimat nötig war. Diesen viel Mut hat längst nicht jeder. Ein Leben im permanenten Auf-der-Hut-Sein prägen. Deshalb sind The Darvish die Anliegen insbesondere der queeren Refugees‘ Community wichtig: „Ich stehe nicht nur für mich auf der Bühne, sondern auch für all diejenigen, die bislang keine Stimme haben und nicht sichtbar sind.“