Marga van den Meydenberg
Die Menschen sind’s. Sie stehen in ihrer Eckigkeit, Zartheit und Bizzarerie im Fokus der Fotografie von Marga van den Meydenberg: Meist sind die Fotografierten im Zentrum der Bilder, seltener rechts oder links zu sehen. Häufig werden sie begleitet von kuriosen oder ungewöhnlichen Gegenständen: Eine Frau liegt in einer Badewanne voller Bücher. Ein Mann hat sich einen Pömpel wie eine überdimensionale Nase ins Gesicht gebunden. Die Glatze eines anderen ist mit rosafarbener Glasur überzogen und mit Johannisbeeren garniert.
Es entsteht eine Ruhe, die den Blick der Betrachtenden ins Bild zieht und sie animiert, sich einzulassen. Die Portraitierten indes verraten nicht, weshalb sie dieses Beiwerk oder jene Pose gewählt haben. Das bleibt ein Geheimnis zwischen Künstlerin und Fotografierten. Diese „kreativen Portraits“ von Marga van den Meydenberg kommen oft spontan zustande. Zwischen 2015 und 2019 betrieb die niederländische Fotografin etwa in elf Berliner Kiezen jeweils einen Monat lang Pop-Up Fotostudios. Lud Unbekannte ein, die sie auf der Straße ansprach, sich von ihr fotografieren zu lassen. Mehr als 800 Menschen – und gelegentlich Tiere – fanden so den Weg vor ihre Kamera. Vom 15. bis 30. Oktober sind Fotos daraus in der Gruppenausstellung „Sein und Schein: Pluralität und Identität“ im „Kunst- und Projekthaus Torstraße 111“ im Rahmen des „Fotohaus Berlin 2022“ zu sehen.
Inzwischen arbeitet Meydenberg mehr mit Auftrag, in speziellen Locations und auf Festivals, etwa auf der Folsom Europe 2022 in Berlin. Dann stehen, wie in der diesjährigen Serie über Frauen, Trans- und Non binary People, Menschen in Lack, Leder oder Netz und mit Fetisch-Accessoires punktgenau ausgeleuchtet vor einem schwarzem Hintergrund. Das „Eis“-Foto im Hellen dagegen entpuppt sich als Teil einer Kooperation mit einem Eisladen. Kugeliges, Stangen- und schmelzendes Eis sowie Hörnchen setzte Meydenberg mit Freunden und Menschen von der Straße in Szene. Meydenberg wird von Unternehmen angefragt, die sich und ihre Mitarbeitenden so unverwechselbar ablichten lassen wollen. „Fotografieren, die Menschlichkeit, das Soziale und das Geldverdienen“ ist für Marga van den Meydenberg eine ideale Kombination von Kreativität und Beruf.
Meydenbergs Fotos sorgten bereits für einen „Life changing moment“. Sie sprach 2016 für ihr Pop-Up-Projekt eine junge, mehrgewichtige Frau an – Lisa. „Ich habe gesehen, dass sie sich ihres Körpers sehr bewusst ist.“ Die Atmosphäre war entspannt, Meydenberg fragte spontan, ob Lisa sich nackt fotografieren ließe. „Sie antwortete: ‚Ja, warum nicht?‘ Wir haben coole Fotos gemacht. Lisa guckte superkraftvoll in die Kamera.“ Sie blieben über soziale Medien in Kontakt und trafen sich Jahre später bei einer Ausstellung eines anderen Fotografen wieder, bei der Lisa eines der Modes war. „Lisa hat mir erzählt, dass das die ersten nackten Fotos von ihr waren, sie zu mehr Selbstliebe gefunden hat und sich immer mehr öffnen konnte.“ Im Mai 2022 entstand eine zweite Serie „Playing in my backyard“. Auf dem Foto der auf dem Schaukelpferd wippenden Lisa sind Selbstvertrauen und Spaß an der verspielt-absurden Pose unübersehbar. Zwei Geschichten von Lisa sind in Meydenbergs Blog auf ihrer Website zu lesen; einige Fotos sind im „Hotel Berlin, Berlin“ in der Lobby auf einer LED-Leinwand projiziert. „Es rührt mich sehr, dass ich so etwas mit der Fotografie bewirken kann.“
Diese besonderen Momente sind nicht planbar, aber wichtig für Meydenbergs Kreativität: „Manchmal entstehen die schönsten Sachen, wenn du nicht angespannt bist durch Zeit oder einen Auftrag. (Ich brauche das auch immer wieder.) Für mich funktioniert es gut, dass ich nicht immer ein Ziel habe, damit ich Neues entstehen lassen und mich öffnen kann.“